Soweit, so kreativ

Spektakulär sind manchmal die kleinen Dinge. Schüler, die Soundtracks selbst entwickeln. Die Filme drehen, Konzepte erstellen, Settings basteln. Die zeichnen, gestalten, beleuchten, sampeln, Räume erkunden, Nachhaltigkeit durchdenken, sich über die Unterrichtszeit hinaus mit Themen beschäftigen, die ihre Gegenwart philosophisch durchdringen. Die Schüler der Hermann-Frieb-Realschule hatten eine Woche Zeit, unter dem Motto »Catching The Waves« sich mit den Grenzbereichen von Mensch und Maschine, von Wirklichkeit und Wahrnehmung, analoger Wirkung und digitaler Transformation zu beschäftigen. Die Resultate waren beeindruckend: Zur Präsentation war die whiteBOX mit Videoinstallationen, Hörstützpunkten, Klangbaustellen, Kostümaufbauten, Aquarellstrecken gefüllt, ein Panoptikum jugendlicher Kreativität, das sich mit großem Ernst und Nachdruck der Digitalen Poesie gewidmet hatte.

Ralf Schmids PYANOOK wiederum ging in seiner Idee weit über das Programm im Vorjahr hinaus. Denn der Pianist und Techniktüftler erweiterte sein Konzert um Raumfelder, die er gemeinsam mit der Tänzerin Cosima Dudel bespielte, die durch ihre Bewegungen Klangveränderungen und musikalische Motive etwa über eine Laserharfe hinzufügte. Die Instrumente traten auf diese Weise in technischer Vermittlung mit dem Umfeld in Kommunikation, nicht mehr nur über den reinen Sound, den sie produzieren, sondern über eine Ausdehnung in den Raum des Digitalen. Ein wenig fühlte man sich an den Theremin erinnert, den unsichtbar rätselhaft wirkenden Klangfeldgenerator und Ursynthesizer, der über PYANOOK eine neue räumliche Dimension bekam. Aber nicht nur das. Denn für Ralf Schmid ist das ganze Programm ein fortlaufendes Experiment, Musik aus ihrem analogen Zusammenhang in einen digitalen zu überführen, ohne damit auf die gängigen Methoden der binären Verschlüsselung zurückzugreifen. Alles ist im Fluss, auch hier im Sinne einer Poetik, einer Strukturgenese der Kunst.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

Link: http://www.outofthebox.art/

Transformation als Ausblick

Die letzten Festivaltage waren schwer zu greifen. »Digitale Poesie« stand als Motto über dem Finale und die Idee war, Musik im einem über das Natürliche hinausgehenden Fluidum aufgehen zu lassen. Mehr Vorgaben gab es nicht und so näherten sich die Künstler ihrem Gegenstand auf sehr unterschiedliche Weise. Das Duo Puntin/Corral entschied sich für die Kraft des Moments und entwickelte weitgehend spontan aus der improvisierenden Kommunikation heraus eine Klang-Bildrelation mit hohem assoziativem Moment sowohl für die Instrumentalisten wie auch für die Zuhörer. Das Visual Piano des Lichtperformers Kurt Laurenz Theinert hingegen war eine überwiegend mit geometrischen Formen arbeitende Ganzraumprojektion, die die impressionistisch tröpfelnden Töne des Pianisten Martin Stortz mit einem motivisch eher festgelegten Bildrepertoire verknüpfte. Ralf Schmid schließlich vollzog mit Pyanook den Übergang von Mensch und Maschine, vor allem mit Hilfe zweier Datenhandschuhe, deren Bewegungen die Musik beeinflussten.

»Ich nütze diese Handschuhe, indem ich sie beispielsweise mit Effekten belege, die ich dann einsetzen kann«, erläuterte der Pianist, der lange auch in München gelebt hat, sein ungewöhnliches Instrument. »Ich kann auch Tonhören damit steuern, insofern hat es ein wenig vom Theremin«. Michele Locatelli wachte über den künstlerischen Ablauf, Pietro Caradelli fügte intuitive Bildsequenzen hinzu, Schmid selbst agierte mit präpariertem und unpräpariertem Flügel, Laptop und Handschuhen in den Stilfeldern zwischen Improvisation und kompositorischer Festlegung. Pyanook war experimentell, in seiner Eindrucksdichte spürbar ein Work in Progress und damit auch ein programmatischer Abschluss des ersten Out Of The Box Festivals. Denn die whiteBOX versuchte, mit Projekten wie Terje Isungsets Ice Music oder der Unterwassermusik von Aquasonic an die Grenzen der Veranstaltbaren, mit der »Digitalen Poesie« auch des ästhetisch Planbaren zu gehen. Das ist als Konzept weiterhin offen, hat für diese Runde nach beeindruckenden Konzerten einen vorläufigen Schlusspunkt gefunden, ist aber in der nächsten Transformation bereits in Arbeit.

Text und Bild (Ralf Schmid): Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box