Höhenflüge, Grenzerfahrung

Kunst hat viel mit Wagnis zu tun, inhaltlich und ästhetisch, aber auch strukturell und organisatorisch. Der Aufwand für »Piano Vertical« im Vorfeld der Aktionen über der Konzerthausbaustelle im Münchner Werksviertel war immens und auf seine Art faszinierend irre, vom gewaltigen Baukran über das spezielle Instrument und die komplexe In-Ear-Beschallung bis hin zu Sicherheitsbestimmungen, Absprachen mit der Leitung der Konzerthausbaustelle, speziellen Genehmigungen. Da war Liegestühle mitten in Winter für das Freiluft-Auditorium noch die leichteste Übung. Als Alain Roche sich dann aber als Resultat all der minutiösen, monatelangen Vorarbeit durch das Festival Out Of The Box mit dem illuminierten und mit Mikrofonen gespickten Flügel in die Morgenluft heben ließ, ging ein Raunen und Staunen durch die Reihen der zur frühen Stunde erschienenen Musikfreunde. Denn seine Performance – musikalisch in der Nachfolge von Minimalisten wie Philip Glass mit einer melodischen Prise improvisatorischer Anmutung und ornamentierenden Echtzeitgeräuschen versetzt – war derart ungewöhnlich, tatsächlich atemberaubend, dass die Zuhörer nur noch gebannt in den Stühlen lagen und dem irgendwie Verrückten beim Schwenken, Schweben, Fliegen folgten.

In der whiteBOX selbst präparierte während dessen Lawrence Malstaf seine Folienflächen. Während sein Schweizer Kollege sich an der potentiellen Unendlichkeit des öffentlichen Raumes für seine musikalischen Flüge berauschte, entzog der Belgier seinen Performern für »Shrink« die Luft und schweißte sie für jeweils etwa halbstündige Aktionen in durchsichtige Tableaus ein. Erweiterung traf Reduktion, auch hier mit umfassendem künstlerischem Konzept im Hintergrund, das neben dem Verweis auf eine Gesellschaft der Verpackung auch die Endlichkeit der für das Überleben notwendigen Ressourcen thematisierte. Ein wenig konnten die Performer sich in den Folien zwar bewegen und produzierten auf diese Weise lebende Bilder von archaischer Intensität. Trotzdem blieben sie Gefangene eines künstlichen Systems, Opfer eines (Kunst)Voyeurismus ebenso wie Akteure einer mit den Zeichen der Konsumwelt spielenden Visualisierung. Die Konstante also am Wochenende Nummer 3 des Festivals Out Of The Box: Extreme Offenheit traf ostentative Geschlossenheit, die große Geste leitete zur Introspektion, zum Nachdenken über die Grenzen der Menschlichen.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

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Soweit, so kreativ

Spektakulär sind manchmal die kleinen Dinge. Schüler, die Soundtracks selbst entwickeln. Die Filme drehen, Konzepte erstellen, Settings basteln. Die zeichnen, gestalten, beleuchten, sampeln, Räume erkunden, Nachhaltigkeit durchdenken, sich über die Unterrichtszeit hinaus mit Themen beschäftigen, die ihre Gegenwart philosophisch durchdringen. Die Schüler der Hermann-Frieb-Realschule hatten eine Woche Zeit, unter dem Motto »Catching The Waves« sich mit den Grenzbereichen von Mensch und Maschine, von Wirklichkeit und Wahrnehmung, analoger Wirkung und digitaler Transformation zu beschäftigen. Die Resultate waren beeindruckend: Zur Präsentation war die whiteBOX mit Videoinstallationen, Hörstützpunkten, Klangbaustellen, Kostümaufbauten, Aquarellstrecken gefüllt, ein Panoptikum jugendlicher Kreativität, das sich mit großem Ernst und Nachdruck der Digitalen Poesie gewidmet hatte.

Ralf Schmids PYANOOK wiederum ging in seiner Idee weit über das Programm im Vorjahr hinaus. Denn der Pianist und Techniktüftler erweiterte sein Konzert um Raumfelder, die er gemeinsam mit der Tänzerin Cosima Dudel bespielte, die durch ihre Bewegungen Klangveränderungen und musikalische Motive etwa über eine Laserharfe hinzufügte. Die Instrumente traten auf diese Weise in technischer Vermittlung mit dem Umfeld in Kommunikation, nicht mehr nur über den reinen Sound, den sie produzieren, sondern über eine Ausdehnung in den Raum des Digitalen. Ein wenig fühlte man sich an den Theremin erinnert, den unsichtbar rätselhaft wirkenden Klangfeldgenerator und Ursynthesizer, der über PYANOOK eine neue räumliche Dimension bekam. Aber nicht nur das. Denn für Ralf Schmid ist das ganze Programm ein fortlaufendes Experiment, Musik aus ihrem analogen Zusammenhang in einen digitalen zu überführen, ohne damit auf die gängigen Methoden der binären Verschlüsselung zurückzugreifen. Alles ist im Fluss, auch hier im Sinne einer Poetik, einer Strukturgenese der Kunst.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

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Nicht ohne die anderen

Manchmal ist es nicht ganz klar, was Worte meinen. Poesie etwa ist für die einen ein Synonym für lyrische Innerlichkeit. Das Festival Out Of The Box versteht darunter aber die Poetik als solche, einen gesamtkünstlerischen Zugriff auf gestaltende Elemente beispielsweise der Musik, mit denen der Mensch in Kontakt mit der Welt der Kultur und des Verstehens tritt. Wird das Ganze noch durch die Idee des Digitalen ergänzt, dann geht es im Speziellen um die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine, zwischen Intuition und Kontrolle, Kreativität und Beherrschbarkeit. Um sinnliche Erfahrbarkeit und Erweiterbarkeit des sensorischen menschlichen Apparats. Und um einen Gegensatz, der so klar, wie vermutet, gar nicht zu bestehen scheint. Denn egal, wen Martina Taubenberger als Moderatorin des Podiums »Kultur digital – digitale Kultur?« ansprach, alle Beteiligten betonten, dass nur die Wechselwirkung der Kräfte am Ende dazu führt, dass sich in beiden Feldern etwas bewegt.

Für den Pianisten Ralf Schmid war es beispielsweise die Erfahrung der nötigen Selbstbeschränkung, die ihn im Umgang mit Sensortechnik und Klavier beeinflusste. Die Künstlerin Susanne Schmitt legte ein Augenmerk auf die Bedeutung einer sensuellen Einbettung des Menschen in den umfassenden Zusammenhang der kulturellen Existenz, Philipp Scholl von der Fakultät für Rechnerarchitektur der Universität Freiburg und Andreas Muxel von der Design-Fakultät der Hochschule Augsburg wiederum betonten, dass gerade die Impulse aus der Kunst dazu führten, dass sie sich Anwendbarkeiten der Sensortechnik über enge industrielle Bereiche hinaus vorstellen konnten. Ein kleines Beispiel solcher inspirierender Verknüpfungen bot dann im Anschluss an die Worte die von Lichtstrahlen in Bewegungsfeldern illuminierte Tanzperformance Distorted Vanity, mit der das Video-Mapping-Duo mayr+empl zusammen mit Yves Peitzner und Rick Rummler die whiteBOX berauschte. Digitale Poesie kann sehr vieles sein.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

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Einsicht mit Aussicht

Der Mensch ist ein widersprüchliches Wesen. An sich – und das betonen sowohl Nicolas Stoll vom Alfred Wegener Institut und Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, wie auch Ludwig Braun, ehemals Leiter der Kommission für Glaziologie an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften München – könnte er sich die Kugel geben. Denn was sich etwa in Grönland an hausgemachten Veränderungen der Eiskappen beobachten lässt, aber eben auch bei Alpengletschern, die nicht gar so weit entfernt vor sich hin schwitzen, deutet unmissverständlich darauf hin, dass der Kipp-Punkt der Entwicklung bald erreicht sein wird, an dem globale Klimaphänomene unumkehrbar werden. Die Risikoabschätzung verlässt in diesem Fall selbst die Wissenschaft, denn es kommen bei derartigen globalen Prozessen so viele Faktoren zusammen, dass sich eine Prognose nicht mehr treffen lässt. Außer der Vorhersage, dass es heftig wird.

Am Ende des Klimapodiums, zu dem im Rahmen des BOXenstopps quasi zur reflektorischen Ergänzung des Eismusikkonzerts von Terje Isungset im Hoch5 des Werksviertels geladen wurde, blieb daher ein rätselhaft ambivalentes Gefühl im Raum. Die Experten mündeten in ihren Beiträgen entweder in hoffnungsvoll irrationalen Optimismus oder in die Variante einer auf Einsicht von Nachhaltigkeit zielenden Spiritualität. Der Künstler wiederum sah sich als Botschafter einer Natur, derer innere Schönheit er geliehenermaßen und mit dem Signum der Vergänglichkeit lustvoll mit Bedacht präsentiert. Für die künstlerische Leiterin des Festival Out Of The Box und Moderatorin der Runde Martina Taubenberger blieb daher die Aussicht als Conclusio, dass eben gerade mit Veranstaltungen, wie sie sie mit der whiteBOX kuratiert, der Mensch über das Medium der Kultur zu Gedankengängen angeregt wird, die über ein betroffenes Kopfnicken hinausreichen. Und das wäre immerhin schon ein großer Erfolg.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

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Natur, am Ende

Am Ende, meint Terje Isungset, könne er seine Instrumente trinken. Dann lächelt er dieses norwegische Lächeln, dem man nicht genau ansieht, wie sehr sich Charme, Ernst und Ironie untereinander die Waage halten. Jedenfalls setzt er während des Eröffnungskonzerts des Festivals Out Of The Box 2020 sein Ice Horn mehrfach ab, um sich das Wasser aus dem Gesicht zu wischen. Das gehört zum Konzept der Vergänglichkeit, der Nachhaltigkeit, das den eigentlichen Kern seiner Faszination für Instrumente aus Eis bildet. Sicher, da ist der Klang, ungewöhnlich, stellenweise erdenfern, auf dem Dach des Hoch5 von Alse Karstad in gewohnt perfekter Manier gerade richtig laut und räumlich transparent verstärkt. Da sind die Variationen mit Hörnen, einer Harfe, Kontrabass und verschiedenem Schlagwerk aus Eis, die durchaus überraschende Nuancen und Farben generieren.

Aber das ist nur die Oberfläche. Für Terje Isungset geht es letztlich ums Ganze, um die Natur als vielfältige Ressource für die Phantasie des Menschen und um den verantwortungsvollen, auch ehrfürchtigen Umgang damit. Sein Mittel ist die Eismusik, spektakulär genug, um Menschen aus den Sesseln zu heben und sie in Konzerte zu bewegen, eine Kunst, die sich eher mit Stimmungen und Schwebungen, mit kammermusikalischen Fächerungen beschäftigt, als mit Virtuosität zu protzen. Seine Botschaft ist die Achtsamkeit, weitab der Modetrends, das Bewusstsein, dass der Mensch nur mit sich im Reinen sein kann, wenn er es auch mit der Natur ist. Terje Isungset kommt dieser Idee als Künstler recht nahe. Er vermittelt sie über das Wochenende hinweg außerdem in Workshops und weiteren Konzerten. Es ist auch ein Grund, womöglich der eigentliche, weswegen er lächelt.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

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Ein wenig Österreich

Even Rygg macht nicht viele Worte. Der norwegische Bildhauer und Landschaftsbauer greift lieber zur Motorsäge und schneidet Blöcke aus dem Eis, bringt sie mit Handsägen und Messern in Form und testet ihre akustische Verwendbarkeit. Das macht er in seiner Heimat und zuweilen auch an anderen Orten wie dem Weissensee in Kärnten, der in diesem Jahr als Rohstoffquelle für die Instrumente der Ice Music dient. Nach der Vorbereitungsphase in der vergangenen Woche sind inzwischen alle brauchbaren Blöcke nach München in Richtung Werksviertel gebracht worden und wurden während der vergangenen Tage auf verschiedenen Flächen rund um die whiteBOX in der Öffentlichkeit bearbeitet, präpariert, feinjustiert. Denn es ist Zeit für Out Of The Box 2020 und die Fortsetzung einer Kooperation, die bereits im vergangenen Jahr zu erstaunlichen, ungewöhnlichen Konzerten geführt hatte.

Und diesmal geht der Master Mind der Ice Music, der Percussionist Terje Isungset, noch ein paar Schritte weiter und konstruiert mit Hilfe von Spezialisten wie Even Rygg über Blas-, Perkussionsinstrumente und einen Kontrabass hinaus auch sensible Klangerzeuger wie eine Harfe aus Eis, die unter anderem bei der Eröffnung des Festivals am 10.Januar zum Einsatz kommt. Wieder mit dabei ist ebenfalls der Schweizer Bildhauer Eric Mutel, der sich aus bildnerischer Perspektive mit dem Phänomen des vergänglichen Materials und dessen Implikaturen beschäftigt. Überhaupt werden einigen Ideen von 2019 aufgenommen und unter dem Geschichtspunkt nachhaltiger Zusammenarbeit von Festival und Künstlern neu interpretiert und modifiziert. Denn auch darum geht es bei zeitgemäßer Konzeptarbeit. Ein Projekt wird umso diskursiver und womöglich stimmiger, wenn es sich nicht nur als fertiges Produkt, sondern als Arbeitsprozess präsentiert, für den beispielsweise Eis aus einem Kärntner See geschnitten wird.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

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Schweben, schrumpfen, tauchen

»Es ist ein ganzes Universum«, meint Alain Roche. »Rundherum sind Geräusche, wenn ich mit dem Mikrophon nach vorne zeige, kommen von hinten und von der Seite bereits eigene Geschichten heran«. Die ganz normale Welt einer Großbaustelle, zugleich aber auch ein akustisches Impulsgeflecht, das künstlerische Schichten entwickeln kann. Denn der schweizer Pianist, Komponist und Konzepttüftler versteht Musik als erweitertes Konzept, nicht nur im Blick auf die stilistische Ausgestaltung, sondern auch auf das Verhältnis von Instrument und Klanggestalter zur Konzertsituation. Vor sechs Jahren entstand seine Idee des Piano Vertical, eines von der üblichen Schwerkraft losgelösten Flügels, den er in der Vertikale mit einem Kran über dem Boden schwebend spielt. »Ein enorm spannendes Experiment«, erzählt Roche weiter. »Ich musste dafür noch einmal neu Klavier lernen«.

Und nicht nur das. Alain Roche begann bald auch, die Situationen um den Schwebezustand herum in seine Performances zu integrieren. Seit März 2019 hat er sich Baustellen ausgesucht, deren diffuses akustisches Leben er in die eigenen Programme und Kompositionen einbaut. Bei Out Of The Box 2020 wird er dabei über die Grube des projektierten Münchner Konzertsaales gleiten, über den Köpfen der Zuschauer, die mit Funkkopfhörern am Boden auf diversen Sitzgelegenheiten verweilen, um der Vision des entkoppelten Klavierspiels zu folgen. Und damit ist Piano Vertical eines der spektakulären Projekte, mit der das wohl ungewöhnlichste Musikfestival in München, wenn nicht gar Deutschlands, im Januar 2020 in die nächste Runde geht. Es werden wieder Künstler dabei sein, die wie Terje Isungsets Ice Music, Aquasonic oder Pyanook die Experimente fortsetzen, die 2019 begonnen wurden. Zahlreiche weitere Projekte knüpfen aber auch an die Ausweitung der Wahrnehmungszone, die Entkoppelung des Menschen von seiner Erfahrungswelt, die Ideen der Nachhaltigkeit von Kreativität an, von Piano Vertical bis hin zur Shrink Performance in Plastik eingeschweißter Künstler. Es lohnt, sich den Januar frei zu halten.

Text und Bild (Alain Roche): Ralf Dombrowski

Transformation als Ausblick

Die letzten Festivaltage waren schwer zu greifen. »Digitale Poesie« stand als Motto über dem Finale und die Idee war, Musik im einem über das Natürliche hinausgehenden Fluidum aufgehen zu lassen. Mehr Vorgaben gab es nicht und so näherten sich die Künstler ihrem Gegenstand auf sehr unterschiedliche Weise. Das Duo Puntin/Corral entschied sich für die Kraft des Moments und entwickelte weitgehend spontan aus der improvisierenden Kommunikation heraus eine Klang-Bildrelation mit hohem assoziativem Moment sowohl für die Instrumentalisten wie auch für die Zuhörer. Das Visual Piano des Lichtperformers Kurt Laurenz Theinert hingegen war eine überwiegend mit geometrischen Formen arbeitende Ganzraumprojektion, die die impressionistisch tröpfelnden Töne des Pianisten Martin Stortz mit einem motivisch eher festgelegten Bildrepertoire verknüpfte. Ralf Schmid schließlich vollzog mit Pyanook den Übergang von Mensch und Maschine, vor allem mit Hilfe zweier Datenhandschuhe, deren Bewegungen die Musik beeinflussten.

»Ich nütze diese Handschuhe, indem ich sie beispielsweise mit Effekten belege, die ich dann einsetzen kann«, erläuterte der Pianist, der lange auch in München gelebt hat, sein ungewöhnliches Instrument. »Ich kann auch Tonhören damit steuern, insofern hat es ein wenig vom Theremin«. Michele Locatelli wachte über den künstlerischen Ablauf, Pietro Caradelli fügte intuitive Bildsequenzen hinzu, Schmid selbst agierte mit präpariertem und unpräpariertem Flügel, Laptop und Handschuhen in den Stilfeldern zwischen Improvisation und kompositorischer Festlegung. Pyanook war experimentell, in seiner Eindrucksdichte spürbar ein Work in Progress und damit auch ein programmatischer Abschluss des ersten Out Of The Box Festivals. Denn die whiteBOX versuchte, mit Projekten wie Terje Isungsets Ice Music oder der Unterwassermusik von Aquasonic an die Grenzen der Veranstaltbaren, mit der »Digitalen Poesie« auch des ästhetisch Planbaren zu gehen. Das ist als Konzept weiterhin offen, hat für diese Runde nach beeindruckenden Konzerten einen vorläufigen Schlusspunkt gefunden, ist aber in der nächsten Transformation bereits in Arbeit.

Text und Bild (Ralf Schmid): Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box

Spiel der Ebenen

Es sind archaische Formen, geometrisch, sich in Farbe auflösend, manchmal intuitiv an existierende Vorbilder anknüpfend. Alba G. Corral erstellt sie spontan, mit Laptop und Touchpad, eine Improvisation der Bilder. Ähnliches machte die spanische Visualistin auch bei einem Festival, als Claudio Puntin spielte. Der Klarinettist und Klanglaborant wusste nichts von seinem Glück und war daher umso überraschter, als er im Nachhinein anhand einer Aufzeichnung merkte, wie komplementär die beiden Ebenen von Musik und Bild sich ergänzten. Aus dem Experiment wurde eine Zusammenarbeit, die unter dem Titel »Inside Density« in der whiteBOX als Auftakt des Festivals-Finales Station machte. Diesmal bewegten sich die beiden Künstler bewusst aufeinander zu, umkreisten sich gestalterisch, kommunizierten und versuchten, aus der Idee eine umfassende synästhetische Erfahrung zu machten.

Es funktionierte, teilweise. Denn während der Klang sich räumlich ausbreiten konnte, blieb das Bild auf die Fläche beschränkt. Corral arbeitete dem entgegen, indem sie ihre Formen sich möglichst fließend auseinander entwickeln ließ. Es entstand eine Illusion fortlaufender Bewegung, die mit dem Klang von Elektronik, verschiedenen Holzblasinstrumenten und Minimalperkussion in Beziehung trat. Da sich Puntin seinerseits auf Texturen, Pulse und überwiegend sphärische Klänge beschränkte, setzen sich die Eindrücke zu einem Ganzen zusammen, dem allerdings als nächster Schritt die optische Ausdehnung ins Räumliche folgen könnte. Möglicherweise bei den noch kommenden Konzerten. Denn auch Kurt Laurenz Theinert und Ralf Schmid sind Künstler, die mit Überschneidungen der Wahrnehmung experimentieren. Sie haben die Abende der »Digitalen Poesie« noch vor sich.

Text und Bild (Alba G. Corral): Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box

So vieles im Sinn

Die Konzerte hatten etwas Unwirkliches. Denn das eine ist das Konzept, das etwas Umfassendes, Umarmendes schaffen will, eine Verbildlichung und Verklanglichung des menschlichen Eingebundenseins in ein universales Medium. Die ästhetische Wirkung von Aquasonic ging jedoch deutlich darüber hinaus. Musiker, die in durchsichtigen, gespenstisch geschickt beleuchteten Wassertanks agieren, knüpfen an eine Vielzahl von Assoziationsoptionen an. Unbewusstes kommt ins Spiel, Voyeuristisches, Ätherisches, Surreales, auch Brutales. Man kann es als Meditation verstehen, als Sinnbild der Entschleunigung, aber auch der Isolation, der Verinnerlichung, der Entgrenzung. Das betrifft sowohl die optische, wie die akustische Seite. Denn auch der Klang ist gedämpft, verändert, höhenreduziert und knüpft an Empfindungen an, die für den einen bis ins Pränatale, für den anderen bis zu Effekten der Schwerhörigkeit reichen können.

Die eigentliche Musik wird im Zusammenhang der Deutungs- und Empfindungsebenen beinahe nebensächlich. Natürlich ist es eine Herausforderung, im Wasser zu singen, und erfordert spezielle Atem- und Resonanztechniken. Da schnelle, hörbare Signale unter Wasser nur schwer möglich sind, bekommen die über die Mikrophone in den Luftraum transportieren Klänge etwas Magma-Artiges, als hätte man das Prinzip einer Lavalampe auf Instrumente übertragen. Das Spektrum ist auf wenige Töne reduziert, die vom Between-Music-Team zumeist linear, selten überlagernd produziert werden. Jeweils rund eine Stunde lang experimentieren sie am Wochenende insgesamt fünfmal auf der Basis der Kompositionen von Laila Skovmand mit den Möglichkeiten musikalischer Retardierung, auch da in der Wirkung rätselhaft archaisch. Aber genau das war die Herausforderung dieser ungewöhnlichen Out Of The Box Konzerte für das Publikum, das sich in der abgedunkelten whiteBOX während der Performances sogar im Raum bewegen konnte. Ein Blick in Sphären jenseits des Gewohnten, irritierend, anregend. Konzerte zum Weiterdenken.

Text und Foto: Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box