Blicke auf die Stadt

Ein Finale ist eine Grundsatzentscheidung. Denn an sich hat ein Veranstaltungsmarathon wie das Festival Out Of The Box, der Künstler mit Eis musizieren lässt, klanglich konzeptuelle Brücken zu Sensortechnik und Improvisation schlägt, einen Visionär samt Flügel über der Konzerthausbaustelle seine Soundwelten entwickeln oder auch Pioniere des Hör-Erlebens unter Wasser agieren lässt, kaum noch Möglichkeiten, sich zu übertreffen. Daher hat Dr. Martina Taubenberger als künstlerische Leiterin entschieden, den Schlusspunkt unter anderem mit einer Verankerung in der Münchner Musikwelt zu setzen. Als Abschluss der vier eindrucksintensiven Wochenenden spielen dabei an unterschiedlichen Orten des Werksviertels rund um die whiteBOX Bands wie Sewicide, die ihr introvertiertes Pop-Crossover im Duoformat mit Miniaturinstrumenten in einem Bus auf dem Knödelplatz präsentieren. The Hercules And Leo Case tauchen als Vokal-Trio in Atelierräumen im Werk 3 tief in experimentell hörspielartig angelegte Stimmcollagen ein, Leichtmetall gönnen sich als Performance-Duo den Spaß naiv-ironischer Glockenspiel-Perkussion mit Gesangs-Garnitur, während Verena Marisa beeindruckend voluminös die Synthetik des Theremin zu beherrschen weiß, das Duo Hugo Siegmeth und Axel Wolf wiederum zwischen Jazz und Alter Musik vermittelt und die junge Harfenistin Arden auf großen Pop Folk des angefangenen Jahres hoffen lässt.

Ein Kessel Buntes, einerseits, aber auch umfassende Bewegungs-Kunst auf der anderen Seite. Denn die Tanzperformance »Bubbles« von Tatjana Busch ließ famos poetische Bilder von getanzter Improvisation und farbig sich zu Raumbildern verbindenden Seifenblasen entstehen. Die winterlich dunkle, während des Festivals entwickelte Audio/Videointerpretation des Münchner Stadtraumes »Dissolving Localities« durch Emmanuel Witzthum warf einen ungewohnt bildakustisch in sich verschlungen fließenden Blick auf sonst vertraut wirkende Lokalitäten. Und ganz am Ende durfte schließlich noch getanzt werden, indie-poppig mit MariusOvanda und humorvoll synthie-funkig mit dem Trio Lovemen. So wurde das Finale auf seine Weise spektakulär, indem es dem frei über das Gelände schweifenden Publikum noch einmal die Vielfalt als Option präsentierte, diesmal nicht mit der großen Geste weltweit wahrgenommener Musikevents, sondern auch im Kleinen, Feinen lokaler Koryphäen.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

Link: http://www.outofthebox.art/

Something In The Water

Alles ist anders, angefangen bei der Klangerzeugung und der Klangweiterleitung über die Widerstände, die Musiker im Wasser zu überwinden haben bis hin zu der Tonqualität im Sinne eines im Vergleich zur Luft unterschiedlichen Tonspektrums. Laila Skovmand kann daher nicht einfach den gewohnten Sound von Alltag, Übungsraum oder Konzertbühne untertauchen lassen, sondern muss sich umfassend Gedanken über Konzept, Dramaturgie und auch Verstärkung und Klangmodifikation machen, um aus der Idee von »Aquasonic« ein stimmiges Gesamtopus entstehen zu lassen. Und so hört man im Werk 7 bei Out Of The Box zum Auftakt des finalen Festivalwochenendes Drehleiern und Steichinstrumente, verschiedene Percussion, Stimmen, aber auch für das Element typische Geräusche von Rinnen und Rauschen bis Wogen und Blubbern. Musik wird auf diese Weise reduziert, minimalisiert, archaisiert. Sie bekommt darüber hinaus eine neue Ebene der Wahrnehmung, sowohl auf der Seite der fünf Performer, die ihr Spiel neben Arrangement und Komposition auf Vitalfunktionen wie Lufthohlen abstellen müssen, als auch bei den Zuhörern, für die ein durch pointierte Lichtregie unterstütztes ureigenes Soundgebilde entsteht.

Das passt zur Idee des Festivals Out Of The Box, dem die Relativierung der ästhetischen Gewissheit am Herzen liegt. Es ist aber nicht das einzige ungewöhnliche Projekt der letzten Veranstaltungstage der Edition 2020. Denn am Sonntag zum Beispiel präsentiert Tatjana Busch ihre Tanzperformance »Bubbles« (15 Uhr), bei der über die Bewegung der Tänzerin in Verbindung mit farbigen Seifenblasen ein Raumgemälde entsteht. Der israelische Soundkünstler und Artist in Residence Emmanuel Witzthum stellt seine Klanggeschichte »Dissolving Localities« (19 Uhr) von Festivals und Stadt vor, die über die zeitliche Distanz eines Monats entstanden ist. Auf dem Gelände des Werksviertel treten von 16 Uhr an zwei Handvoll angesagte junge Bands aus allen Stilrichtungen auf und am Ende des Tages lockt die »Out of The Box Dance Night« (21 Uhr) mit dem Trio Loveman und Madsius Ovanda in die Kernräume des Festivals, in die whiteBOX. Ein Finale mit Grund zum Feiern. Immerhin handelt es sich um das »vielleicht exzentrischste Festivals des Winters« (Ö1).

Text und Bild: Ralf Dombrowski

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Höhenflüge, Grenzerfahrung

Kunst hat viel mit Wagnis zu tun, inhaltlich und ästhetisch, aber auch strukturell und organisatorisch. Der Aufwand für »Piano Vertical« im Vorfeld der Aktionen über der Konzerthausbaustelle im Münchner Werksviertel war immens und auf seine Art faszinierend irre, vom gewaltigen Baukran über das spezielle Instrument und die komplexe In-Ear-Beschallung bis hin zu Sicherheitsbestimmungen, Absprachen mit der Leitung der Konzerthausbaustelle, speziellen Genehmigungen. Da war Liegestühle mitten in Winter für das Freiluft-Auditorium noch die leichteste Übung. Als Alain Roche sich dann aber als Resultat all der minutiösen, monatelangen Vorarbeit durch das Festival Out Of The Box mit dem illuminierten und mit Mikrofonen gespickten Flügel in die Morgenluft heben ließ, ging ein Raunen und Staunen durch die Reihen der zur frühen Stunde erschienenen Musikfreunde. Denn seine Performance – musikalisch in der Nachfolge von Minimalisten wie Philip Glass mit einer melodischen Prise improvisatorischer Anmutung und ornamentierenden Echtzeitgeräuschen versetzt – war derart ungewöhnlich, tatsächlich atemberaubend, dass die Zuhörer nur noch gebannt in den Stühlen lagen und dem irgendwie Verrückten beim Schwenken, Schweben, Fliegen folgten.

In der whiteBOX selbst präparierte während dessen Lawrence Malstaf seine Folienflächen. Während sein Schweizer Kollege sich an der potentiellen Unendlichkeit des öffentlichen Raumes für seine musikalischen Flüge berauschte, entzog der Belgier seinen Performern für »Shrink« die Luft und schweißte sie für jeweils etwa halbstündige Aktionen in durchsichtige Tableaus ein. Erweiterung traf Reduktion, auch hier mit umfassendem künstlerischem Konzept im Hintergrund, das neben dem Verweis auf eine Gesellschaft der Verpackung auch die Endlichkeit der für das Überleben notwendigen Ressourcen thematisierte. Ein wenig konnten die Performer sich in den Folien zwar bewegen und produzierten auf diese Weise lebende Bilder von archaischer Intensität. Trotzdem blieben sie Gefangene eines künstlichen Systems, Opfer eines (Kunst)Voyeurismus ebenso wie Akteure einer mit den Zeichen der Konsumwelt spielenden Visualisierung. Die Konstante also am Wochenende Nummer 3 des Festivals Out Of The Box: Extreme Offenheit traf ostentative Geschlossenheit, die große Geste leitete zur Introspektion, zum Nachdenken über die Grenzen der Menschlichen.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

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Soweit, so kreativ

Spektakulär sind manchmal die kleinen Dinge. Schüler, die Soundtracks selbst entwickeln. Die Filme drehen, Konzepte erstellen, Settings basteln. Die zeichnen, gestalten, beleuchten, sampeln, Räume erkunden, Nachhaltigkeit durchdenken, sich über die Unterrichtszeit hinaus mit Themen beschäftigen, die ihre Gegenwart philosophisch durchdringen. Die Schüler der Hermann-Frieb-Realschule hatten eine Woche Zeit, unter dem Motto »Catching The Waves« sich mit den Grenzbereichen von Mensch und Maschine, von Wirklichkeit und Wahrnehmung, analoger Wirkung und digitaler Transformation zu beschäftigen. Die Resultate waren beeindruckend: Zur Präsentation war die whiteBOX mit Videoinstallationen, Hörstützpunkten, Klangbaustellen, Kostümaufbauten, Aquarellstrecken gefüllt, ein Panoptikum jugendlicher Kreativität, das sich mit großem Ernst und Nachdruck der Digitalen Poesie gewidmet hatte.

Ralf Schmids PYANOOK wiederum ging in seiner Idee weit über das Programm im Vorjahr hinaus. Denn der Pianist und Techniktüftler erweiterte sein Konzert um Raumfelder, die er gemeinsam mit der Tänzerin Cosima Dudel bespielte, die durch ihre Bewegungen Klangveränderungen und musikalische Motive etwa über eine Laserharfe hinzufügte. Die Instrumente traten auf diese Weise in technischer Vermittlung mit dem Umfeld in Kommunikation, nicht mehr nur über den reinen Sound, den sie produzieren, sondern über eine Ausdehnung in den Raum des Digitalen. Ein wenig fühlte man sich an den Theremin erinnert, den unsichtbar rätselhaft wirkenden Klangfeldgenerator und Ursynthesizer, der über PYANOOK eine neue räumliche Dimension bekam. Aber nicht nur das. Denn für Ralf Schmid ist das ganze Programm ein fortlaufendes Experiment, Musik aus ihrem analogen Zusammenhang in einen digitalen zu überführen, ohne damit auf die gängigen Methoden der binären Verschlüsselung zurückzugreifen. Alles ist im Fluss, auch hier im Sinne einer Poetik, einer Strukturgenese der Kunst.

Text und Bild: Ralf Dombrowski

Link: http://www.outofthebox.art/

Transformation als Ausblick

Die letzten Festivaltage waren schwer zu greifen. »Digitale Poesie« stand als Motto über dem Finale und die Idee war, Musik im einem über das Natürliche hinausgehenden Fluidum aufgehen zu lassen. Mehr Vorgaben gab es nicht und so näherten sich die Künstler ihrem Gegenstand auf sehr unterschiedliche Weise. Das Duo Puntin/Corral entschied sich für die Kraft des Moments und entwickelte weitgehend spontan aus der improvisierenden Kommunikation heraus eine Klang-Bildrelation mit hohem assoziativem Moment sowohl für die Instrumentalisten wie auch für die Zuhörer. Das Visual Piano des Lichtperformers Kurt Laurenz Theinert hingegen war eine überwiegend mit geometrischen Formen arbeitende Ganzraumprojektion, die die impressionistisch tröpfelnden Töne des Pianisten Martin Stortz mit einem motivisch eher festgelegten Bildrepertoire verknüpfte. Ralf Schmid schließlich vollzog mit Pyanook den Übergang von Mensch und Maschine, vor allem mit Hilfe zweier Datenhandschuhe, deren Bewegungen die Musik beeinflussten.

»Ich nütze diese Handschuhe, indem ich sie beispielsweise mit Effekten belege, die ich dann einsetzen kann«, erläuterte der Pianist, der lange auch in München gelebt hat, sein ungewöhnliches Instrument. »Ich kann auch Tonhören damit steuern, insofern hat es ein wenig vom Theremin«. Michele Locatelli wachte über den künstlerischen Ablauf, Pietro Caradelli fügte intuitive Bildsequenzen hinzu, Schmid selbst agierte mit präpariertem und unpräpariertem Flügel, Laptop und Handschuhen in den Stilfeldern zwischen Improvisation und kompositorischer Festlegung. Pyanook war experimentell, in seiner Eindrucksdichte spürbar ein Work in Progress und damit auch ein programmatischer Abschluss des ersten Out Of The Box Festivals. Denn die whiteBOX versuchte, mit Projekten wie Terje Isungsets Ice Music oder der Unterwassermusik von Aquasonic an die Grenzen der Veranstaltbaren, mit der »Digitalen Poesie« auch des ästhetisch Planbaren zu gehen. Das ist als Konzept weiterhin offen, hat für diese Runde nach beeindruckenden Konzerten einen vorläufigen Schlusspunkt gefunden, ist aber in der nächsten Transformation bereits in Arbeit.

Text und Bild (Ralf Schmid): Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box

Spiel der Ebenen

Es sind archaische Formen, geometrisch, sich in Farbe auflösend, manchmal intuitiv an existierende Vorbilder anknüpfend. Alba G. Corral erstellt sie spontan, mit Laptop und Touchpad, eine Improvisation der Bilder. Ähnliches machte die spanische Visualistin auch bei einem Festival, als Claudio Puntin spielte. Der Klarinettist und Klanglaborant wusste nichts von seinem Glück und war daher umso überraschter, als er im Nachhinein anhand einer Aufzeichnung merkte, wie komplementär die beiden Ebenen von Musik und Bild sich ergänzten. Aus dem Experiment wurde eine Zusammenarbeit, die unter dem Titel »Inside Density« in der whiteBOX als Auftakt des Festivals-Finales Station machte. Diesmal bewegten sich die beiden Künstler bewusst aufeinander zu, umkreisten sich gestalterisch, kommunizierten und versuchten, aus der Idee eine umfassende synästhetische Erfahrung zu machten.

Es funktionierte, teilweise. Denn während der Klang sich räumlich ausbreiten konnte, blieb das Bild auf die Fläche beschränkt. Corral arbeitete dem entgegen, indem sie ihre Formen sich möglichst fließend auseinander entwickeln ließ. Es entstand eine Illusion fortlaufender Bewegung, die mit dem Klang von Elektronik, verschiedenen Holzblasinstrumenten und Minimalperkussion in Beziehung trat. Da sich Puntin seinerseits auf Texturen, Pulse und überwiegend sphärische Klänge beschränkte, setzen sich die Eindrücke zu einem Ganzen zusammen, dem allerdings als nächster Schritt die optische Ausdehnung ins Räumliche folgen könnte. Möglicherweise bei den noch kommenden Konzerten. Denn auch Kurt Laurenz Theinert und Ralf Schmid sind Künstler, die mit Überschneidungen der Wahrnehmung experimentieren. Sie haben die Abende der »Digitalen Poesie« noch vor sich.

Text und Bild (Alba G. Corral): Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box

So vieles im Sinn

Die Konzerte hatten etwas Unwirkliches. Denn das eine ist das Konzept, das etwas Umfassendes, Umarmendes schaffen will, eine Verbildlichung und Verklanglichung des menschlichen Eingebundenseins in ein universales Medium. Die ästhetische Wirkung von Aquasonic ging jedoch deutlich darüber hinaus. Musiker, die in durchsichtigen, gespenstisch geschickt beleuchteten Wassertanks agieren, knüpfen an eine Vielzahl von Assoziationsoptionen an. Unbewusstes kommt ins Spiel, Voyeuristisches, Ätherisches, Surreales, auch Brutales. Man kann es als Meditation verstehen, als Sinnbild der Entschleunigung, aber auch der Isolation, der Verinnerlichung, der Entgrenzung. Das betrifft sowohl die optische, wie die akustische Seite. Denn auch der Klang ist gedämpft, verändert, höhenreduziert und knüpft an Empfindungen an, die für den einen bis ins Pränatale, für den anderen bis zu Effekten der Schwerhörigkeit reichen können.

Die eigentliche Musik wird im Zusammenhang der Deutungs- und Empfindungsebenen beinahe nebensächlich. Natürlich ist es eine Herausforderung, im Wasser zu singen, und erfordert spezielle Atem- und Resonanztechniken. Da schnelle, hörbare Signale unter Wasser nur schwer möglich sind, bekommen die über die Mikrophone in den Luftraum transportieren Klänge etwas Magma-Artiges, als hätte man das Prinzip einer Lavalampe auf Instrumente übertragen. Das Spektrum ist auf wenige Töne reduziert, die vom Between-Music-Team zumeist linear, selten überlagernd produziert werden. Jeweils rund eine Stunde lang experimentieren sie am Wochenende insgesamt fünfmal auf der Basis der Kompositionen von Laila Skovmand mit den Möglichkeiten musikalischer Retardierung, auch da in der Wirkung rätselhaft archaisch. Aber genau das war die Herausforderung dieser ungewöhnlichen Out Of The Box Konzerte für das Publikum, das sich in der abgedunkelten whiteBOX während der Performances sogar im Raum bewegen konnte. Ein Blick in Sphären jenseits des Gewohnten, irritierend, anregend. Konzerte zum Weiterdenken.

Text und Foto: Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box

Klang und Tank

Menschen, isoliert voneinander in durchsichtigen Wassertanks. Sie machen Musik, verbunden nur über Miniatur-Kopfhörer, die den Kontakt zu den anderen Gefäßen herstellen. Die Klänge wiederum wirken weit entfernt, obwohl sie in unmittelbarer Nähe produziert werden. Ein widersprüchliches, rätselhaftes Setting, das Laila Skovmand auch nach Jahren noch begeistert. „Alles kommt aus dem Wasser“, schwärmt die dänische Sängerin und Performance-Künstlerin. „Es ist etwas, das uns alle betrifft. Ein Eins-Sein mit der Umwelt, die uns vollständig umgibt. Am Anfang habe ich nur mit vier Tönen experimentiert, inzwischen sind mehr dazu gekommen. Es war ein langer Lernprozess, was im Wasser funktioniert.“ Und was nicht. Denn das umgebende Medium verändert die Klangerscheinung zum Teil erheblich. Der Schlag auf eine Derbouka zum Beispiel, an der Luft ein hohes, peitschendes Geräusch, wird unter Wasser zu einem tiefen Grummeln, mehr einem Herzton ähnlich als dem Beat einer Trommel. Manche Instrumente mussten gar erst erfunden werden, ebenso das Konzept des Komponierens für Stücke unter Wasser.

Außerdem muss man spielen lernen, atmen, irritierende Gefühle verscheuchen, die das Gehirn automatisch sendet, wenn ein Mensch länger als ein paar Augenblicke untertaucht. Yoga hilft beispielsweise, die Körper-Geist-Balance zu halten, um das Projekt Aquasonic durchzuführen. Und Laila Skovmand hat mit Between Music ein geschultes Ensemble, das mit diesen besonderen Voraussetzungen umgehen und ihre Kompositionen kompetent umsetzen kann. Die Gastspiele am Wochenende in der whiteBOX sind allerdings auch für die performance-erprobten Künstler eine Herausforderung. Denn diesmal stehen sie nicht auf einer Bühne, sondern sind mitten im Raum verteilt. Die Zuhörer können um die Tanks herumgehen und den Klang aus wechselnden Perspektiven erleben. Sie tauchen selbst in eine Welt ein, die sich grundlegend von üblicher Musikerfahrung unterscheidet. Ein Kosmos unerprobter Empfindungen, unbekannter Schwingungen. Ein Experiment, nicht nur für die Musiker in den Tanks.

Text und Foto (Aquasonic mit Gründerin Laila Skovmand): Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box

Lied für die Welt

Der Schnee spielte mit, anders als gedacht. Ursprünglich sollten Schülerinnen und Schüler des Berchtesgadener Gymnasiums nach München kommen, um mit Fraser Trainer ihren Teil der Komposition „Pastorale re/visited“ zu erarbeiten. Doch dann begrub die weiße Pracht den Alpenort, die Busse konnten nicht starten. Fraser plante um und arbeitete gleich mit Schülerinnen und Schülern der Münchner Hermann-Frieb-Realschule, die als zweite Gruppe an dem Projekt beteiligt waren. Als Mitte der Woche Schnee-Entwarnung kam, konnte endlich zusammen geprobt werden, schließlich sollte ein Konzert entstehen, das am Sonntag Nachmittag in der whiteBOX uraufgeführt wurde. Eine Kooperation des Education-Zweiges des Symphonieorchesters des Bayerische Rundfunks mit dem Haus der Berge / Nationalpark Berchtesgaden und whiteBOX.art, ganz im Sinne der Beethoven’schen Naturbegeisterung, die der Meister vor mehr als 210 Jahren in seiner 6.Sinfonie, der „Pastorale“, umsetze.

„Auf den ersten Blick klingt das etwas missverständlich“, meint Fraser Trainer, der als freischaffender Komponist aus der südenglischen Region Brighton für das Projekt angereist war. „Wir wollten keine Melodien von Beethoven neu vertonen, sondern uns von dem Konzept inspirieren lassen, Musik zu entwickeln, die sich mit Natur beschäftigt, in diesem Fall mit den Folgen des Klimawandels“. Die beiden Schulensembles setzten daher nicht auf traditionelles Motivinventar, sondern spielten mit Stimmungen, Geräuschen ebenso wie mit Songelementen, Rhythmisierungen, Dynamikkontrasten, den vielen Möglichkeiten eben, Fließendes, Dramatisches, Vereinendes klanglich zu machen. Von Videoprojektionen unterstützt, endete „Pastorale re/visited – Klimawandel hören“ allerdings dann doch sehr typisch in einem Schluss-Chor, bei dem das Publikum mitsingen konnte. Viel Lob im Anschluss an die Aufführung. Die Zuhörer waren beeindruckt, die Hommage an die Natur war geglückt. Trotz Schnee im echten Leben.

Text und Foto (Fraser Trainer dirigiert Schlussakkord): Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box

Dance, Dance, Jazz

Ein bisschen kurz vielleicht. Denn die Logik einer Dance Night speist sich auch aus der Idee, dass sich Musik über einen Abend hinweg entwickelt, aufbaut, um sich dann möglichst lang am Gipfelpunkt der Energie zu halten. Insofern ging es richtig los, als das Techno Jazz Sextett Slatec sich nach einer Dreiviertelstunde so gegen Mitternacht warm gespielt hatte, straight im Groove, mit zwei um Gesang und Posaune ergänzten Schlagzeugern, Perkussion und Bass klar am Zentrum der Körperlichkeit orientiert. Aber der Zeitplan reichte nur bis zu diesem Punkt, durchaus mit Hintersinn, denn das Out Of The Box Festival ist keine Blaupause des Clublebens, sondern ein Wegweiser der Impulse. Hier geht es lang, da kann man reinschauen, dort sich inspirieren lassen! Macht selbst weiter, die Tür ist geöffnet!

Auf diese Weise passte der ganze Abend gut zusammen. Denn vor Slatec teilten zwei weitere Bands das gleiche Konzept der Konzentration auf die Kraft des Moments. Organ Explosion beispielsweise kümmerten sich um die Reanimation eines Bandkonzepts aus den Sechzigern und sie hatten hörbar Spaß daran. Zum einen war es ein Nostalgieprogramm, das bis hin zum Shadows-Ohrwurm „Apache“ reichte, der mit eine Prise rhythmischen Humors aufgefrischt wurde. Auf der anderen Seite hatte es aber die Zeitlosigkeit des Lässigen, die mit viel popswingendem Nachdruck präsentiert wurde. Ark Noir als Opener ließen sich wiederum von der Mischung aus fusionjazziger Direktheit und klangeffektvoller Dramaturgie treiben. Ähnlich wie bei Slatec legten sie vor allem Fährten, die weiter in den Dschungel der Intensität führten. Man muss wiederkommen, bei nächster Gelegenheit. Die Anfänge sind gemacht.

Text und Foto (Ark Noir im Einsatz): Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box