So vieles im Sinn

Die Konzerte hatten etwas Unwirkliches. Denn das eine ist das Konzept, das etwas Umfassendes, Umarmendes schaffen will, eine Verbildlichung und Verklanglichung des menschlichen Eingebundenseins in ein universales Medium. Die ästhetische Wirkung von Aquasonic ging jedoch deutlich darüber hinaus. Musiker, die in durchsichtigen, gespenstisch geschickt beleuchteten Wassertanks agieren, knüpfen an eine Vielzahl von Assoziationsoptionen an. Unbewusstes kommt ins Spiel, Voyeuristisches, Ätherisches, Surreales, auch Brutales. Man kann es als Meditation verstehen, als Sinnbild der Entschleunigung, aber auch der Isolation, der Verinnerlichung, der Entgrenzung. Das betrifft sowohl die optische, wie die akustische Seite. Denn auch der Klang ist gedämpft, verändert, höhenreduziert und knüpft an Empfindungen an, die für den einen bis ins Pränatale, für den anderen bis zu Effekten der Schwerhörigkeit reichen können.

Die eigentliche Musik wird im Zusammenhang der Deutungs- und Empfindungsebenen beinahe nebensächlich. Natürlich ist es eine Herausforderung, im Wasser zu singen, und erfordert spezielle Atem- und Resonanztechniken. Da schnelle, hörbare Signale unter Wasser nur schwer möglich sind, bekommen die über die Mikrophone in den Luftraum transportieren Klänge etwas Magma-Artiges, als hätte man das Prinzip einer Lavalampe auf Instrumente übertragen. Das Spektrum ist auf wenige Töne reduziert, die vom Between-Music-Team zumeist linear, selten überlagernd produziert werden. Jeweils rund eine Stunde lang experimentieren sie am Wochenende insgesamt fünfmal auf der Basis der Kompositionen von Laila Skovmand mit den Möglichkeiten musikalischer Retardierung, auch da in der Wirkung rätselhaft archaisch. Aber genau das war die Herausforderung dieser ungewöhnlichen Out Of The Box Konzerte für das Publikum, das sich in der abgedunkelten whiteBOX während der Performances sogar im Raum bewegen konnte. Ein Blick in Sphären jenseits des Gewohnten, irritierend, anregend. Konzerte zum Weiterdenken.

Text und Foto: Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box

Klang und Tank

Menschen, isoliert voneinander in durchsichtigen Wassertanks. Sie machen Musik, verbunden nur über Miniatur-Kopfhörer, die den Kontakt zu den anderen Gefäßen herstellen. Die Klänge wiederum wirken weit entfernt, obwohl sie in unmittelbarer Nähe produziert werden. Ein widersprüchliches, rätselhaftes Setting, das Laila Skovmand auch nach Jahren noch begeistert. „Alles kommt aus dem Wasser“, schwärmt die dänische Sängerin und Performance-Künstlerin. „Es ist etwas, das uns alle betrifft. Ein Eins-Sein mit der Umwelt, die uns vollständig umgibt. Am Anfang habe ich nur mit vier Tönen experimentiert, inzwischen sind mehr dazu gekommen. Es war ein langer Lernprozess, was im Wasser funktioniert.“ Und was nicht. Denn das umgebende Medium verändert die Klangerscheinung zum Teil erheblich. Der Schlag auf eine Derbouka zum Beispiel, an der Luft ein hohes, peitschendes Geräusch, wird unter Wasser zu einem tiefen Grummeln, mehr einem Herzton ähnlich als dem Beat einer Trommel. Manche Instrumente mussten gar erst erfunden werden, ebenso das Konzept des Komponierens für Stücke unter Wasser.

Außerdem muss man spielen lernen, atmen, irritierende Gefühle verscheuchen, die das Gehirn automatisch sendet, wenn ein Mensch länger als ein paar Augenblicke untertaucht. Yoga hilft beispielsweise, die Körper-Geist-Balance zu halten, um das Projekt Aquasonic durchzuführen. Und Laila Skovmand hat mit Between Music ein geschultes Ensemble, das mit diesen besonderen Voraussetzungen umgehen und ihre Kompositionen kompetent umsetzen kann. Die Gastspiele am Wochenende in der whiteBOX sind allerdings auch für die performance-erprobten Künstler eine Herausforderung. Denn diesmal stehen sie nicht auf einer Bühne, sondern sind mitten im Raum verteilt. Die Zuhörer können um die Tanks herumgehen und den Klang aus wechselnden Perspektiven erleben. Sie tauchen selbst in eine Welt ein, die sich grundlegend von üblicher Musikerfahrung unterscheidet. Ein Kosmos unerprobter Empfindungen, unbekannter Schwingungen. Ein Experiment, nicht nur für die Musiker in den Tanks.

Text und Foto (Aquasonic mit Gründerin Laila Skovmand): Ralf Dombrowski

Festival: Out Of The Box